Sanktionen gegen Rußland: Die Eskalationsdynamik gegen Rußland scheint nach oben weiter offen zu sein. Die politischen Entscheider in Berlin haben auf Druck der USA und sekundiert durch transatlantisch orientierte Leitmedien, der euro-kontinental orientierten Kapitalfraktion in der deutschen Wirtschaft die Daumenschrauben angelegt, endlich den Widerstand gegen Wirtschaftssanktionen aufzugeben. Rußland soll in die Knie gezwungen werden. Eine souveräne russische Außen- und Sicherheitspolitik ist unerwünscht.
Derzeit überbieten sich Politik, Staats- und Konzernmedien in Deutschland darin, angeblich „notwendige Sanktionen“ gegen Rußland zu fordern, da sich Rußland nicht in ausreichendem Maße bemühe, den militärischen Konflikt in der Ukraine einzuhegen. Von Rußland wird in Chefartiger Weise „erwartet“, daß es die westlichen Wünschen und geopolitischen Vorstellungen nicht nur zu akzeptieren, sondern auch aktiv zu unterstützen habe. Kommt Rußland dem nicht nach, so werden Sanktionen dosiert verhängt. Ärgerlich nur, dass viel EU-Staaten, insbesondere Deutschland, wirtschaftlich stark mit Rußland verbunden sind. Allein in Deutschland – auch in NRW – hängen allein 300.000 Arbeitsplätze direkt von der wirtschaftlichen Kooperation mit Rußland ab. Wirtschaftssanktionen gegen Rußland wirken somit negativ auf die deutsche Wirtschaft und die Menschen zurück. Nicht umsonst wehrte sich der Ostausschuss der Deutschen Wirtschaft (die Lobbyorganisation des Russland-orientierten deutschen Kapitals) lange gegen Wirtschaftssanktionen. Diese Woche ist der Ostausschuss nun eingeknickt – der politische und mediale Druck wurde zu groß. Jubelnd berichtete der Spiegel darüber, dass auch der Ostausschuss der Deutschen Wirtschaft die Sanktionsspirale nun akzeptiere. läßt sich von Politik und Medien auf der Nase rumtanzen – eine ganz neue Erfahrung für Linke. Welch eine Dummheit allein aus wirtschaftlicher Sicht.
Politische Aspekte des Konflikts
Betrachtet man zusätzlich die eigentlichen politischen Hintergründe, wird deutlich, worum es wirklich geht: Es geht mitnichten um Wohlstand und Frieden zu Gunsten der Menschen in der Ukraine. Es geht um strategische und ökonomische Einflußräume. Dabei ist der Westen sogar bereit, mit Faschisten zu kooperieren und den Frieden und die Stabilität in Europa gegen die Wand zu fahren.
Allerdings: Der sogenannte Westen ist in vielen außen-, außenwirtschafts und sicherheitspolitischen Fragen nicht so homogen, wie es scheint. Deutschland als eine ökonomische Großmacht arbeitet daran, auch eine politische Großmacht zu werden. Dafür braucht Deutschland allerdings die EU und die NATO – der deutsche Sonderweg hat sich mit zwei verlorenen Weltkriegen als nicht erfolgsversprechend erwiesen. Dominanter Faktor der NATO sind die USA. Über die NATO nehmen die USA signifikanten Einfluß auf Europa. Keine Entscheidung in der NATO, ohne dass die US-Interessen gewahrt bleiben. Die politische Klasse in Deutschland akzeptiert die Unterordnung unter die US-Interessen. Als Gegenleistung für die deutsche Unterordnung unter die US-Dominanz, darf Deutschland in weltpolitischen Fragen mitreden und mitzahlen. Dieser Deal gehört zur deutschen Staatsräson, weswegen DIE LINKE auch in dieser Frage gebrochen werden soll – von innen und von außen.
Und dennoch verläuft die Unterordnung Deutschlands nicht reibungslos. Das deutsche Kapital ist trotz aller Globalisierung immer noch in erster Linie deutsch. Und auch deutsche politische Entscheider bewegen sich immer auf dem dünnen Pfad zwischen direkter Verfolgung deutscher Interessen und der Unterordnung unter US-Interessen, in der
Hoffnung, dass dabei was für Deutschland abfällt. Kooperation und Konkurrenz ist das Beziehungsmuster zwischen den beiden imperialistischen Akteuren USA und Deutschland.
Deutschland und die USA: Kooperation und Konkurrenz im Hinblick auf die Ukraine
Dieses Beziehungsmuster wird in der expansiven, ja geradezu imperialistischen Politik des Westens gegenüber der Ukraine und Rußland sehr deutlich. Beide, die USA und Deutschland, hatten das gemeinsame Interesse an einem pro-
westlichen Regime-Change, der ja auch im Februar dieses Jahres unter Inkaufnahme von Toten durchgezogen wurde. Aber die deutsche Vorstellung, angefangen beim neu-installierten politischen Personal in Kiew und endend mit der Frage der Integrationsrichtung (NATO und EU) und -dichte der Ukraine an den Westen unterscheidet sich von den
US-Vorstellungen. Derzeit haben die USA die Nase in der Richtungsbestimmung weit, wahrscheinlich sogar uneinholbar vorne. Der jüngste Vorstoß aus den Reihen der CDU, eine Blauhelmtruppe, ggf. unter deutscher Führung im Osten der Ukraine zu stationieren, war ein Versuch Berlins, wieder Boden in der Gestaltungskonkurrenz zu den USA gut zu machen. Die Sanktionspolitik gegen Rußland drücken die USA auch gegen die objektiven ökonomischen Interessen der EU-Länder nicht nur bilateral durch, sondern unterwerfen die EU erfolgreich in eine gemeinsame Front. Die deutschen Transatlantiker aus Politik und Medien bejubeln diese scheinbar geschlossen westliche Position.
Rußland seinerseits versucht die Zurückdränung seiner Einflußsphären im post-sowjetischen Raum und die tatsächlich sich abzeichnende Einkreisung durch die NATO und US-Verbündete (Japan, Südkorea etc.) aufzuhalten. Der derzeitige Zustand Rußlands ist vermutlich wie folgt zu beschreiben: Es ist ein kapitalistischer Staat mit Dominanzambitionen
im postsowjetischen Raum, der aber zunehmend Gefahr läuft, durch die aggressive Vorwärtspolitik der NATO und EU in die Defensive zu geraten.
Nicht Rußland ist im Ukraine-Konflikt der Aggressor, sondern der Westen, der seinen Einfluß auf Kosten Rußlands bis in das westliche Zentrum der früheren UdSSR, die Ukraine, ausbauen und Rußland in die Defensive treiben will. In der westlichen Öffentlichkeit jedoch wird Rußland, das sich dagegen zu wehren versucht, als der Aggressor dämonisiert. Der Westen selbst verkauft sich öffentlichkeitswirksam als „ehrlicher Makler“, der nur das Beste, d.h. Frieden und Wohlstand für die Ukraine will – welch ein Zynismus. Diesem Trugbild muß DIE LINKE. die wirklichen Hintergründe des Ukraine-Konflikts entgegenhalten. Damit ist DIE LINKE nicht pro-russisch, wie manch einer uns aus politischer Naivität oder ideologischer Boshaftigkeit unterstellt. Es geht vielmehr darum, den Expansionsdrang des Westens einzuhegen, da dieser massiv friedensgefährdend ist. Russland in einen militärischen Konflikt oder auch nur in die Nähe dahin zu treiben, ist verantwortungslos.
Ich glaube, es ist der LINKEN bislang auch ganz gut gelungen einen Gegenbild von dem Konflikt zu zeichnen. Die Regierung und die Grünen haben es nicht vermocht, die Deutungshoheit über diesen Konflikt lückenlos zu gewinnen, obschon die meisten Konzern-und Staatsmedien massiv die Öffentlichkeit zu manipulieren versuchen.
LINK zum Interview im Morgenmagazin:
http://www.daserste.de/information/politik-weltgeschehen/morgenmagazin/videos/linke-
lehnen-sanktionen-gegen-russland-ab-100.html
LINK ZDF-heute- Nachrichten:
http://www.heute.de/sanktionen-auch-gegen-putin-vertraute-34293764.html
Ein Gastbeitrag von Alexander S. Neu