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Grünes Licht aus Europa, um Gaza zu töten, zu zerstören und zu zerreiben

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Amira Hass ist die einzige israelische Korrespondentin in den besetzten Gebieten und eine der kritischsten Stimmen Israels. (Foto: flickr.com / Hovev/ CC-Lizenz)

Amira Hass ist die einzige israelische Korrespondentin in den besetzten Gebieten und eine der kritischsten Stimmen Israels. (Foto: flickr.com / Hovev/ CC-Lizenz)

Wenn die Sicherheit der Juden im Nahen Osten von echtem Belang für europäische Länder wie Deutschland und Österreich wäre, würden sie nicht fortfahren, die israelische Besatzung zu subventionieren.  Von Amira Hass

Mit seinem fortgesetzten Schweigen kollaboriert das offizielle Deutschland mit Israel auf dessen gegen das palästinensische Volk in Gaza gerichteten Reise von Zerstörung und Tod. Deutschland ist nicht allein – Österreichs Schweigen ist ebenfalls ohrenbetäubend.  Aber warum sollten wir diese beiden Länder aussondern? Am zweiten oder dritten Tag des Krieges, war Bundeskanzlerin Angela Merkel nicht die einzige, die erklärte, dass sie auf Seiten Israels stand. Die gesamte Europäische Union unterstützte Israel und sein Recht auf “Selbstverteidigung”.

Ja, Frankreich und Großbritannien haben sich letzte Woche etwas gewunden und machten ein paar schwache Geräusche des Protests. Aber die ursprüngliche Haltung der EU vom 22. Juli hallt noch nach. Sie warf derjenigen Seite, die unter einer langanhaltenden Belagerung durch Israel steht, vor die Eskalation herbeigeführt zu haben. Es ist die Seite, die sich trotz aller europäischen Erklärungen über deren Recht auf Selbstbestimmung und einen unabhängigen Staat in der Westbank und im Gazastreifen noch immer unter israelischer Besatzung befindet, nach 47 Jahren.

Die EU-Mitgliedstaaten und offensichtlich auch die Vereinigten Staaten gaben Israel grünes Licht, zu töten, zu zerstören und zu zerreiben. Sie bürdeten die Hauptlast an der Schuld den Menschen auf, die Raketen starten, den Palästinensern. Die Raketen stören die “Ordnung” und die “Ruhe”, sie gefährden die Sicherheit Israels, welches so schwach und verletzlich ist und stets ohne jeglichen Grund angegriffen wird.

Im Grunde befürworten die Vereinigten Staaten und Europa den Status quo, unter welchem der Gazastreifen von der Westbank abgeschnitten wird. Die israelische Belagerung des Gazastreifens und die Unterdrückung der palästinensischen Bevölkerung in der Westbank sind Israels Ruhe, Ordnung und Sicherheit. Wer immer es wagt, diese zu verletzen, muss bestraft werden. In ihren leidenschaftlichen Deklarationen zu Israels Recht auf Selbstverteidigung verabsäumen es die EU-Beamten, das Recht der Palästinenser auf Sicherheit oder Schutz vor der israelischen Armee zu erwähnen.

Europa und die Vereinigten Staaten gaben Israel jenes grüne Licht zur Eskalation – zu zerstören, zu töten und Leid in nie gekanntem Ausmaß zu verursachen – keineswegs erst bei Ausbruch der gegenwärtigen Feindseligkeiten. Sie gaben es ihm bereits im Jahr 2006, als sie sich an die Spitze des Boykott gegen die Hamas-Regierung, die in demokratischen Wahlen gewählt worden war, stellten.

Selbst damals entschieden sie sich dafür, die gesamte besetzte palästinensische Bevölkerung kollektiv zu bestrafen, und zugleich der Hauptgrund, dafür, dass diese Organisation eine Mehrheit gewonnen hatte, zu ignorieren:  das palästinensische Schoßtier-Regime, das Europa hochgepäppelt hatte  - die Palästinensische Autonomiebehörde. Dieses Regime bleibt von zwei Übeln getrübt – Korruption und das Versagen seiner diplomatischen Taktiken, die Unabhängigkeit zu erreichen.

Das Verhalten der Palästinensischen Autonomiebehörde hat zu einer Situation geführt, in der Verhandlungen, die Bereitschaft ein Friedensabkommen mit Israel zu erreichen und sogar die Opposition gegen den bewaffneten Kampf, aus moralischen und praktischen Gründen, zu einem Synonym für die Bereicherung einer kleinen Gruppe geworden ist – neben seiner zynischen Missachtung der Rechte und Bedingungen eines Großteil der Bevölkerung.

Weder Ruhe noch Ordnung

Man kann verstehen, dass die israelischen Sicherheitsexperten wiederholt die offenen und verborgenen Strömungen, die die palästinensische Gesellschaft durchziehen und die immer und immer wieder die „Ruhe“ stören, missinterpretieren. Diese Expertenhirne sind nicht darauf programmiert, zu begreifen, dass die Ruhe und Ordnung die sie bewahren sollen, weder ruhig noch in Ordnung sind.

Vor zwei Wochen sagte Jacob Perry, der Publikumsliebling und die Schlüsselfigur in dem Dokumentarfilm “The Gatekeepers”, er hoffe, dass der Sicherheitsapparat in der Lage wäre, die neueste Welle von Demonstrationen in der Westbank einzudämmen.

“Diese Demonstrationen sind schlecht für sie und für uns”, sagte der ehemalige Leiter des Shin Bet-Sicherheitsdienstes in einer typisch paternalistischen Weise. Tatsächlich fährt die Armee, die seinen Ratschlag nicht erst abwartete, damit fort, Demonstranten zu töten, die keine Soldatenleben gefährden. Sie tun dies jede Woche und verwunden Dutzende andere (zwei weitere wurden an diesem Wochenende getötet). Selbst nach 47 Jahren haben die Sicherheitsbeamten nicht erreicht, dass die Unterdrückung nicht zu einer Unterwerfung führt. Sie schiebt höchstens eine weit blutigere Konfrontation auf – wie es jetzt in Gaza geschieht.

Aber was ist mit den europäischen Experten, Mitarbeitern von Hilfsorganisationen, Diplomaten und zivilen und militärischen Beratern, und was mit all den Lehren, die sich in den vielen Jahren des Kolonialismus angesammelt haben? Man hätte meinen können, dass all diese Menschen und Ereignisse Europa davon abgehalten hätten, einen solch ungeheuerlichen Fehler im Jahr 2006 zu begehen, aus dem all die Eskalationen entstanden sind, die in palästinensisches Blut getränkt sind.

Der Boykott der Hamas, welcher in Wirklichkeit ein politischer Boykott der palästinensischen Bevölkerung in den besetzten Gebieten war, ermutigte Fatah und den PA-Präsidenten Mahmoud Abbas, die Wahlergebnisse mittels undemokratischer Mittel über den Haufen zu werfen. Der Boykott und die westliche Verachtung für das Wahlergebnis haben Hamas lediglich in extreme und verzweifelte Kanäle getrieben, und sie in einen Märtyrer und in der öffentlichen Meinung in eine respektable Alternative verwandelt.

In der Tat war dies nicht ein “Fehler”, sondern eine bewusste Entscheidung. Europäische Länder und die Vereinigten Staaten sind bereit, Milliarden von Dollars in den palästinensischen Gebieten für den Wiederaufbau jener Trümmer zu investieren, die erst durch den Gebrauch amerikanischer und wahrscheinlich europäischer Waffen gelegt wurden. Diese Dollars richten sich an humanitäre Katastrophen, die durch die israelische Besatzung verursacht wurden.

Europa und die Vereinigten Staaten sind bereit, Zelte, Nahrung und Wasser zu finanzieren, um eine Führung zu domestizieren, die durch diese Spenden gefangen gehalten wird. Diese Führer versprechen deshalb, die Ruhe und Ordnung nicht zu stören. Was der Westen schätzt und liebt sind nicht Gerechtigkeit und die Rechte der Palästinenser, sondern es ist die Aufrechterhaltung der “Stabilität”.

Deutschland und Österreich sind besonders bemerkenswert. Nur ihretwegen entsteht der Eindruck, dass die Europäische Union Israel so unterstütze aufgrund von Schuldgefühlen über die Ermordung der europäischen Juden unter der deutschen Besatzung und aufgrund einer moralischen Verpflichtung gegenüber dem direkten Ableger dieses geschichtlichen Kapitels, dem Staate Israel.

Vom Holocaust beschirmt besteht keine Notwendigkeit die westlichen Interessen, ob amerikanische oder europäische, zu diskutieren. Zu diesen gehören die weitere Kontrolle – durch vertrauenswürdige Mittler – von Öl-und Gasvorkommen, den Schutz der Märkte und die Sicherung der “Sicherheit” Israels als einer westlichen Macht und als eines stabilen Gebildes, das die Veränderungen in der Region eindämmen und dagegen vorgehen kann.

Wenn die Sicherheit der Juden im Nahen Osten von echtem Interesse für die europäischen Länder wäre, vor allem für Deutschland und Österreich, dann würden sie nicht fortfahren die israelische Besatzung zu subventionieren. Sie würden Israel kein permanentes grünes Licht zum Töten und Zerstören geben.

Der Artikel erschien zuerst am 11. August 2014 in der Zeitung Haaretz. Wir danken Marx21 und Clemens Messerschmid für die Übersetzung vom 17. August.


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