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Ohne Kämpfe der Bürger kann es keine Veränderung geben – Im Gespräch mit Pierre Laurent

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Pierre Laurent

Pierre Laurent

Am kommenden Wochenende, 13.-15.12.2013, findet in Madrid der 4.Kongress der Partei der Europäischen Linken (EL) statt. Der EL gehören derzeit 26 Mitglieds- und 7 Beobachterparteien an.Wir haben im Vorfeld ein Gespräch mit Pierre Laurent, Generalsekretär der Französischen Kommunistischen Partei (PCF) und Vorsitzender der EL, über den europäischen Widerstand gegen die neoliberale Politik geführt. Mehr Informationen zur Europäischen Linke finden sich auf der Homepage oder auf Facebook.
Die Freiheitsliebe: Die Partei der Europäischen Linken (EL) überlegt Tsipras zum Spitzendenkandidaten für die Europawahl zu machen. Was spräche für ihn?

Pierre Laurent: Die Partei der Europäischen Linken muss auf ihrem Kongress vom 13.-15. Dezember bezüglich der Kandidatur für die Präsidentschaft der EU-Kommission auf zwei Fragen antworten. Erstens: Braucht es einen Kandidaten? Ich bin dafür. Nicht etwa, weil wir es für einen großen demokratischen Fortschritt halten würden, sondern weil all jene, die in Europa Widerstand leisten, ein Sprachrohr brauchen. Wenn wir diese Frage bejahen, dann stellt sich die Frage: Wer sollte der Kandidat sein? Der Syriza-Vorsitzende Alexis Tsipras wurde vorgeschlagen. Er ist ein Symbol der Hoffnung: Jene des griechischen Volkes, das gegen die Austerität kämpft und jene der Linken, die heute vor den Toren zur Macht steht. Ich kenne Alexis Tsipras, der übrigens auch Vize-Vorsitzende der EL ist, sehr gut. Er ist jemand, der zuverlässig ist, der zutreffend analysiert, der viel zuhört und nachdenkt. Er wird sehr große Verantwortung in seinem Land übernehmen. Er bringt alle Eigenschaften mit, die einen guten Kandidaten ausmachen.

Die Freiheitsliebe: Wäre Tsipras Kandidatur auch eine Antwort auf die neoliberale Troikapolitik?

Pierre Laurent: Ja, selbstverständlich. Das ist ja die Idee hinter der Kandidatur. Griechenland ist im Auge des Sturms der Austeritätspolitik. Die Troika kommt regelmäßig ins Land, um neue Haushaltskürzungen, neue Privatisierungen, neue Maßnahmen zur Zerstörung der sozialen Rechte der Arbeiter vorzuschreiben. Es kommt darauf an, den Bruch mit der Austeritätspolitik zu verkörpern, zu zeigen, dass es eine politische Alternative für sozialen Fortschritt in Europa gibt. Syriza, die Partei von Alexis Tsipras, hat das vorgemacht. Sie hat das griechische Volk hinter ihren Vorschlägen nach tiefgreifenden Veränderungen versammeln können, führt alle Umfragen an und ist dem Siege nahe. Wir sagen Stopp zu Troika und Austerität ! Wir tragen die Idee eines solidarischen Europas, die die Volkssouveränität respektiert und die auf einen nachhaltigen sozialen Fortschritt abzielt. Unserer Herangehensweise ist die der Hoffnung.

Die Freiheitsliebe: Wie möchte die EL diese Politik bekämpfen?

Pierre Laurent: Indem wir die Dogmen der Austerität in Europa verlassen, indem wir die niedergeschlagene Demokratie wiederherstellen, die den Finanzmärkten geopfert wurde. Wir wollen weder eine autoritäre Konzentration der Kompetenzen auf europäischer Ebene, noch den populistischen, nationalistischen und rechtsradikalen Rückzug aufs Nationale. Denn das wäre nicht nur illusorisch, sondern vor allem gefährlich für die Völker und den Frieden. Unserer Ansicht nach ist die Stunde der solidarischen Neugründung Europas gekommen. Das setzt einen eindeutigen Bruch mit den bestehenden Verträgen, der Austerität und dem antidemokratischen Charakter der EU voraus. Aber das deutet auch auf unser Engagement für eine Kooperation der europäischen Völker hin.

europäische linkeDie Freiheitsliebe: Welche Alternativstrategie hat die Partei der Europäischen Linken?

Pierre Laurent: Wir arbeiten derzeit an einer gemeinsamen programmatischen Plattform, die unser europäisches Projekt skizziert. Wir haben mehrere unverzichtbare große Transformationen ausgemacht, um die EU neuzubegründen: die Austerität verlassen und einer nachhaltigen sozialen Entwicklung Priorität einräumen, Europa von den Finanzmärkten befreien und Arbeitsplätze schaffen, den Völkern und gewählten Organen die Macht zurückgeben, den Frieden, die Sicherheit und die internationale Zusammenarbeit fördern. Das sind die großen Linien unseres Projektes, die jeweils 20 oder 30 konkrete Forderungen umfassen.

Die Freiheitsliebe: Welche Bündnispartner gibt es für eine alternative soziale Politik?

Pierre Laurent: In Europa bekämpfen viele Arbeiter, die Jugend, Frauen, viele Bürger und Gewerkschafter die Austeritätspolitik. Mit ihnen wollen wir zusammenarbeiten. In letzter Zeit haben wir uns viel mit den Gewerkschaften unserer Länder aber auch mit dem Europäischen Gewerkschaftsbund (EGB) ausgetauscht. So werden beispielsweise Bernadette Ségol, Generalsekretärin und Ignacio Toxo, Präsident, auf unserem Kongress sprechen.
Im letzten Juni haben wir auf dem Altersummit in Athen mit den Sozialen Bewegungen zusammengearbeitet. Es gibt auch viele linke aktivistische Energie, die wegen der liberalen Politik der Sozialdemokratie und der Grünen ungenutzt bleibt. Wir wollen uns mit all jenen zusammenführen, die bei ihrer Arbeit, in ihrem Privatleben, bei ihren diversen Engagements nach solidarischen Lösungen aus der Krise suchen. Wenn es uns gelingt all diese Kräfte zusammenzuführen, dann bin ich mir sicher, dass wir einen positiven Impuls schaffen können, ein Wiederaufleben progressiver Ideen auf unserem Kontinent bewirken können. Um unsere Kooperation mit anderen politischen Kräften der Linken, den sozialen Bewegungen und Gewerkschaften zu vertiefen, erwägen wir ein „Jährliches Europäisches Forum der Alternativen“ nach dem Vorbild des Foro de Sao Paulo in Lateinamerika zu schaffen.

Die Freiheitsliebe: Ist über eine solche Politik der Weg zu einer demokratisch sozialistischen Gesellschaft möglich?

Pierre Laurent: Der Kampf um die Krisenlösungen hat begonnen. Unser Alleinstellungsmerkmal ist es, nicht nur mit unmittelbar konkreten Antworten für die soziale Not aufzuwarten, sondern einen „zivilisatorischen“ Anspruch nach Emanzipation der Menschheit zu haben. Die Idee der Neubegründung Europas umfasst beides: Demokratie und „Sozialismus“ im Sinne der Kooperation zwischen den Völkern, der (Um-)Verteilung des Reichtums, des Wissens und der Macht. Wenn wir wirklich den Weg zur Emanzipation der Menschheit beschreiten wollen, brauchen wir jenseits des Projektes, die niemals unterbrochene Mobilisierung aller sozialen Kräfte, unserer „Verbündeten“ des Volkes, denn ohne Kämpfe der Bürger, der Unterstützung durch das Volk, kann es keine tiefgreifende Veränderung geben.

Die Freiheitsliebe: Danke für das Interview


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